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Gregorianik: Akustische Schlaftablette oder doch mehr?

Aus einem Gemeindebrief in Süddeutschland erfuhr ich, dass sich ein Geistlicher um die Pflege der Gregorianik kümmert. Er möchte, dass auch Laien einen Zugang zu dieser frühen, geistlichen Musik bekommen. Der erste Schritt ist das Psalmensingen.

Dabei werden die Psalmentexte in einem der neun möglichen sog. Kirchentöne, gesungen vorgetragen. Jeder Vers beginnt mit der gleichen, kurzen Anfangsmelodie und gelangt zur Haupttonhöhe, genannt Tenor (Sprechakkzent liegt auf der ersten Silbe). Auf ihm, dem Tenor, oder auch Rezitationston genannt, wird dann der übrige Vers vorgetragen. Am Versende beschließt die Melodie den Vers mit einer festen Tonfolge abwärts. Grundsätzlich besteht jeder Psalmenvers nun aus zwei Zeilen. Die so vorhandene Versmitte wird auch musikalisch betont mit der „Mediatio“, auch Mittelkadenz genannt.

Hier nochmal das Schema, nach dem alle Kirchentöne aufgebaut sind:

Initium – Tenor ————— Mediatio + Tenor ——————– Terminatio

Früher sang man nur in lateinischer Sprache.

Heute sind alle Texte und viele Gesänge übersetzt in die jeweilige Muttersprache der Gläubigen. Die 150 Psalmen kann man also in allen Sprachen rezitieren.

Zur Intensivierung des Ausdrucks kann man jeden Psalm in einem der neun Kirchentöne singen. So eignet sich der 5. Kirchenton gut für festliche, strahlende Inhalte, da er mit einem Dur-Dreiklang beginnt.

Grundsätzlich ist beim Vortrag eines Palmes der Text maßgebend, die Melodie des jeweiligen Kirchentones ist untergeordnet und nach Wahl austauschbar.

Die Theologie, die Poesie der Psalmen und die Stimmung des Sprechers oder Sängers sind die entscheidenden Faktoren, die Aufmerksamkeit, Lebendigkeit und Spannung bewirken. Diese einfache Form der Gregorianik wird im Tageszeitengebet der Kirche seit dem Mönchtum gepflegt. Für die Feier der Eucharistie wurden später reichere Melodien aus den Kirchentönen entwickelt. Das höchste Fest der Christen, Ostern, hatte für seinen Einzugsgesang ein allerdings sehr schlichtes und verhaltenes Lied geschaffen. Mein Lehrer, Heinrich Rohr, hörte darin noch den Nachklang der Karfreitagstrauer. Sie wurde erst allmählich in ein festliches, jubelndes auferwecktes Halleluja verwandelt.

Als Beispiel das “RESUREXIT”

Die meisten hier benannten Werke von diversen Künstlern sind leicht bei YouTube zu finden.